Johannes

Joh 12,6 A.Christlieb Das dreifaches Leiden Jesu vor der Passion

»Judas aber war ein Dieb« Johannes 12, 6

Hier haben wir ein zweites Leiden Jesu, das er lange Zeit vor seiner Passion tragen mußte. Wir wollen uns einmal in die Empfindungen hineinzuversetzen versuchen, die der tägliche Umgang mit Judas und die immer erneute Beobachtung von dessen Unlauterkeit dem Heiland bereiten mußten. Viele Menschen sagen: »Alles kann ich bei andern ertragen, nur nicht die Unlauterkeit.« Jesus ertrug auch die Unlauterkeit dieses Jüngers. Weshalb stellte er ihn nicht zur Rede? Weshalb riß er ihm die Heuchlermaske nicht ab? War das etwa dieselbe Schwäche, die wir bei dem Priester Eh seinen gottlosen Söhnen gegenüber finden (1. Sam. 3)? War es Mangel an Entschiedenheit? Nein! Es war göttliche Geduld. Jesus litt und schwieg.

Jesus hat nie die Sünde des Judas stillschweigend gutgeheißen. Er hat sie nie leichtfertig übersehen. Aber er hat auch nicht vor der gottgewollten Stunde das Band mit Judas zerrissen. Er hat ihm Zeit zur Buße gegeben, hat ihn wie die andern ausgesandt, hat ihm wie den andern die Füße gewaschen, bis die Stunde kam, in der Judas sich selbst ausschied.

Der Herr will uns die Kraft geben, auch Unlautere zu tragen, so lange Gott es haben will.



siehe auch 1. »Auch seine Brüder glaubten nicht an ihn« -> Johannes 7, 5 2. »Judas aber war ein Dieb« -> Johannes 12, 6 3. »Er hat ein Widersprechen von den Sündern wider sich erduldet« -> Hebräer 12, 3