Joh 11,40
S.Keller
Joh. 11, 40: «Hab ich dir nicht gesagt, so du glauben
würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen?»
Ja, das hat er uns auch oft genug gesagt, aber wenn es so
gegen allen Augenschein geht, wie dort bei Martha in
Bethanien, dann bricht der Glaube wie ein schwacher Keim
nicht durch die gefrorene Erdkruste hindurch. Wir mögen
sogar schon verschiedene kleinere und größere Proben seiner
wunderbaren Durchhilfe erlebt haben, und wenn die neue Angst
wieder da ist, haben wir alles vergessen. Da hilft nichts,
er muß hienieden uns wieder und wieder "Toren und trägen
Herzens" schelten, was den Glauben an sein Wort anlangt.
Außerdem erschweren wir dem Heiland sein Hilfswerk durch
solchen Mangel an Vertrauen in einer Weise, die uns selbst
Schaden tut. Es ist nachgerade zum Niederfallen und Anbeten,
daß er mit solchen Leuten, wie wir sind, noch Geduld hat und
sie immer wieder der gnädigen Hilfe würdigt. Wenn er nur
zuletzt den ganzen Prozeß gewinnt und den Sieg behält und die
letzte Decke kann von unsern Augen genommen werden und wir
sehen buchstäblich die Herrlichkeit Gottes in vollkommener
Schöne. Bis das geschehen kann, was muß da doch aus uns
werden, die ihm soviel Mühe gemacht haben mit ihrem
Kleinglauben und soviel Schwierigkeiten mit ihrer
Kurzsichtigkeit!
Vergib uns, Herr, den mangelhaften Glauben und das Auf und
Niederschwanken zwischen Zutrauen und Zweifel. So es möglich
ist, mach unsere Herzen fest und still im Glauben an dein
Wort und dein Herz voll Liebe. Amen.
J.Kroeker
Vom wahren Gottvertrauen.
"Jesus spricht zu ihr (Martha): Habe Ich dir nicht gesagt,
so du glauben würdest, solltest du die Herrlichkeit Gottes
sehen?" Ev.Joh. 11,40.
In dem, was Jesus Martha unmittelbar vorher gesagt hatte,
sollte sie die Quelle und die Grundlage ihres Vertrauens
finden. Es war eine Selbstoffenbarung Jesu, die sie erlebt
hatte. Denn alles wirkliche Gottvertrauen wird ja allein aus
einer vorangegangenen erlebten Selbstoffenbarung Gottes
geboren. Glaube ist daher Wille zum Einswerden mit Gott.
Zu diesem Einswerden mit Gott wollte Jesus auch die Martha
führen. Daher hatte Jesus ihr gesagt "dein Bruder soll
auferstehen!" Und da sie glaubte, dass Jesus nur von der
zukünftigen allgemeinen Auferstehung der Toten rede, sprach
Jesu zu ihr: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer
an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit."
Das war das Jesuserlebnis, aus dem Martha jenes Licht und
jene Kraft schöpfen sollte, um dem Herrn auch auf dem Boden
zu vertrauen, auf dem sie die Kräfte und Vollmachten ihres
Meisters noch nicht erlebt hatte. Denn Gott zu vertrauen
auf einem Boden, auf dem man Gott schon so oft und so
mannigfaltig erlebt hat, ist nicht schwer. Das war auch
Martha und Maria nicht schwer geworden. Daher hatten sie
gleich nach der Erkrankung ihres Bruders ihrem Freund und
Meister sagen lassen: "Herr, den du lieb hast, der liegt
krank!" Hier jedoch handelte es sich um ein Vertrauen, das
über alle bisherigen Erfahrungen hinausging. Denn alles neue
Leben liegt ja zunächst jenseits unserer bisherigen
Erfahrungen. In dem mannigfachen Weh und Leid der Menschheit
hatten Maria und Martha zwar gesehen, wie sich da die Kraft
Gottes in den Vollmachten Jesu zum Heil und Leben der Elenden
auswirkte. Dass aber auch das ganze Gebiet des Todes und der
Verwesung unter seinen Vollmachten stehe, und alles Leben und
Auferstehen an seine Person und an sein Wort gebunden sei,
das hatte man bisher nicht erlebt.
Am Grab ihres Bruders sollte jedoch offenbar werden, dass
Jesus auch auf dem dunklen Gebiet der Todesherrschaft die
unumschränkte Lebensherrschaft besitzt. Daher sprach Jesus
auch zu Martha: "Habe ich dir nicht gesagt, so du glauben
würdest, solltest du die Herrlichkeit Gottes sehen?" Sie
sollte am Grabe ihres verstorbenen Bruders erleben, dass
Jesu schöpferische Lebenskräfte stärker seien als alle
zersetzenden Todesmächte, unter denen die ganze Schöpfung
seufzt und leidet, und denen kein Fleisch zu widerstehen
vermag. Solange Martha nicht glaubte, widersprach sie. Erst
als Jesu Worte der Inhalt ihres Vertrauens wurden, erlebte
sie im Handeln ihres Meisters die Herrlichkeit Gottes auch
am Grabe ihres verstorbenen Bruders.