Joh 11,21
S.Keller
Joh. 11, 21: «Herr, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre
nicht gestorben.»
Wie groß und wie klein! Wie groß, daß Martha geglaubt, in
Jesu Gegenwart könne kein Mensch sterben, und wie klein,
daß die bloße räumliche Entfernung seine Kraft sollte
ausgeschaltet haben. Wäre er nicht gestorben, hätte Jesus
ihn nicht auferwecken können. Und wie viel größer als eine
Bewahrung eines Kranken war die Auferweckung eines Toten! So
ähnlich gehen wir auch hin mit unserm Glauben zwischen groß
und klein. Da trauen wir dem Herrn die Umwandlung der ganzen
Welt zu, und im selben Augenblick zweifeln wir an der
Erhörung von kleinen Alltagsgebeten. Da trauen wir ihm
die herrliche Auferweckung unseres Leibes für die ewige
Herrlichkeit zu und zweifeln, ob er heute die Kraft darreicht
zum Überwinden einer Versuchung oder einer Schwäche. Da
trauen wir ihm die Bekehrung der Millionen von Heiden zu, und
im selben Augenblick zweifeln wir, ob er das trotzige Kind
herumholen kann, das uns gerade Not macht! Wann werden wir
lernen glauben, daß ihm kein Ding unmöglich ist, es sei groß
oder klein, wenn er es will und wenn er es jetzt und hier
durch uns will geschehen lassen. Mehr Liebesumgang muß in
das Verhältnis unseres Herzens zu Jesu hinein, damit wir
erraten, welches Ziel er jetzt gerade mit dieser Sache
verfolgt.
Herr Jesu, wir wollen dir nichts vorschreiben, aber alles
zutrauen. Öffne uns die Augen unseres Herzens, daß wir mit
Liebesaugen sehen, wohin du siehst und was du vorhast. Amen.