Johannes

Joh 10,14 Ch.Spurgeon "Ich bin der gute Hirt und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, gleichwie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne." Johannes 10,14-15

Ich möchte darauf hinweisen, wie vollkommen der Herr Jesus als der gute Hirte seine Schafe kennt. Er kennt ihre Zahl; er wird nie eines verlieren. Er wird sie erneut zählen, wenn die Schafe wieder unter seine Hand kommen, und dann wird er genaue Rechnung machen. "Die du mir gegeben hast, habe ich behütet, und keiner von ihnen ist verloren gegangen." Er kennt die Zahl derer, für die er den Erlösungspreis gezahlt hat. Er kennt den Charakter und das Alter jedes der Seinen. Er versichert uns, daß selbst die Haare auf dem Haupt gezählt sind. Der Herr Jesus hat keine Schafe, die ihm unbekannt sind. Es ist nicht möglich, daß er eines übersehen oder vergessen haben sollte. Er hat eine so gute Kenntnis von denen, die er durch sein kostbares Blut erlöst hat, daß er nie eins mit dem andern verwechselt oder falsch beurteilt. Er kennt ihr Gemüt, er kennt die Schwachen, die Nervösen, die Schreckhaften, die Starken; die, welche eine Neigung zur Schwindsucht haben; die Tapferen, die Kranken; die Sorgenvollen, Ermatteten oder Verwundeten. Er kennt diejenigen, die der Teufel jagt, die sich zwischen den Klauen des Löwen befinden und geschüttelt werden, bis sie fast das Leben verlieren.

Er kennt unsere innersten Gedanken und Gefühle besser als irgend jemand von uns selbst. Er kennt unsere Prüfungen - die besondere Prüfung, unter der du jetzt niedergebeugt bist. Und die Schwierigkeiten, die besondere Schwierigkeit, die dir gerade jetzt innerlich in den Weg tritt, mein Bruder. Alles, was unser Leidenskelch enthält, ist ihm bekannt. Es ist unmöglich, sich eine Kenntnis zu denken, die vollkommener ist als die, welche der Vater von seinem eingeborenen Sohn hat, und ebenso unmöglich ist es, sich eine Kenntnis zu denken, die vollkommener ist als diejenige, welche Jesus Christus von jedem seiner Erwählten hat.





C.O.Rosenius Ich erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen. Joh. 10, 14.

Nicht ohne weiteres wird man erkennen können, welch ein großes Geheimnis in diesen Worten liegt. Sie sagen uns, daß eine innige Bekanntschaft zwischen dem Herrn und Seinen Schafen herrscht, auf der alles beruht. Was mag das bedeuten? Man fängt an, etwas zu ahnen, wenn man denselben Herrn in der entscheidenden Stunde, in der Er an Sein Versöhnungswerk geht, feierlich erklären hört: ,,Das ist das ewige Leben, daß sie Dich, der Du allein wahrer Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen." Höre, was der Herr Christus für das ewige Leben erklärt! Nur Gott und den Heiland zu erkennen. Und, wenn Er von dem feinsten Selbstbetrug in geistlichen Dingen redet, von dem Betrug einer eigenen Frömmigkeit, Kraft und Geistlichkeit, durch den viele am Jüngsten Tag sagen werden: ,,Haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt und in Deinem Namen Teufel ausgetrieben und in Deinem Namen viele Taten getan?" - dann wird Er sie mit den Worten ,,Ich habe euch noch nie erkannt" abweisen. - Dieselben Worte finden wir in dem ewig gültigen Abweisungsurteil über die Jungfrauen, die zur Hochzeit wollten, ihre Lampen nahmen, dem Bräutigam entgegengingen, aber kein Öl hatten. Der Herr wird nur diese eine Bemerkung machen: ,,Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Ich kenne euch nicht." - Bedenke, wie bedeutungsvoll dieses Wort ,,kennen" hier sein muß. Dasselbe Richterwort gebraucht Er, als Er erklärt, weshalb diejenigen, welche durch die enge Pforte einzugehen trachteten, es aber dennoch nicht konnten und dann beschwörend sagen würden: ,,Wir haben vor Dir gegessen und getrunken, und auf den Gassen hast du uns gelehrt"; auch ihnen gilt das gleiche, niederschmetternde Richterwort: ,,Ich kenne euch nicht, woher ihr seid."

O, muß nicht ein jeder, der dies liest und dabei erkennt, wie der Herr Christus als der entscheidende Richter so ernstlich darum geeifert hat, dies hervorzuheben, - muß nicht ein jeder merken, daß hier ein überaus wichtiges Geheimnis vorliegt? Für die Gläubigen war und ist dies nichts Unvermutetes; im Gegenteil, für sie sollte es gerade eine erfreuliche Bestätigung dafür sein, daß sie Ihn recht erfaßt haben. Unerwartet aber ist es für diejenigen, die sich darüber wundern, daß der Herr nicht sagt: ,,Ihr habt gegen Mein Gesetz gesündigt" oder ,,Ihr seid nicht ernstlich genug in eurer Besserung und Heiligung gewesen"; ja, auch für diejenigen, die sich wundern, daß der Herr nicht eine scharf eingeteilte Gnadenordnung vorlegte und sagte: ,,Gegen diese habt ihr gefehlt". Überraschend wird es für alle diejenigen sein, die es so haben wollen, die zu ihrer Verwunderung Ihn aber immer nur sagen hören: ,,Ich kenne euch nicht!" Alle werden erkennen müssen, daß in dem Texte vom Jüngsten Gericht bei Matth. 25, wo so viele Werke angeführt werden, dennoch das ganze Gewicht darauf gelegt wird: ,,Das habt ihr Mir getan," um Meinetwillen habt ihr Meinen geringsten Brüdern dies oder jenes getan, daß also Christus und eine innige Bekanntschaft mit Ihm die Quelle gewesen sind, aus der diese Werke flossen; daß allein Christus, nicht aber ihre eigene Heiligkeit, der Gegenstand ihres Auges und ihres Heiligungseifers gewesen ist.

Sollten nicht alle, die erkannt haben, welche besondere Fürsorge Jesus um dieses Verhältnis geübt hat, um des Herrn Christus und des ewigen Wohls ihrer unsterblichen Seelen willen einmal stillhalten und sich von dem Herrn, der die Schlüssel in Seiner Hand hat, sagen zu lassen, daß, wo Er zuschließt, kein Mensch aufschließt? Sollten wir nicht Seinen Worten stillhalten und sie ernstlich beherzigen? Viele ernste und fromme Männer sind nach jahrzehntelangem heiligen Eifer um Gott und Sein Reich dadurch über dies Verhältnis aufgewacht und wie Brände aus dem Feuer gerissen worden, daß sie das Geheimnis des Reiches Gottes in dem duldenden, blutenden Herrn mit den durchbohrten Händen und Füßen zu sehen bekamen. Nur in Ihm und in Seinem Tod haben sie hinfort ihr ganzes Leben, ihre Freude und ihren Trost erhalten und alsbald ihre bisherige irdische Seligkeit demgegenüber für Schal und jammervoll erachtet. So wird man gesinnt, wenn man Jesus recht erkennen lernt; und nur diejenigen, bei welchen Christi Erkenntnis solcher Art ist, sind Seine Schafe.

,,Willst du dann ein für allemal wissen und deutlich definieren (bestimmen) können, was ein Christ sei", sagt Luther, ,,oder woher der Mensch ein Christ heiße, so mußt du nicht sehen nach Mose Gesetz oder der größten Heiligen Leben und Heiligkeit, sondern nur hierher auf das Wort Christi: »Meine Schafe kennen Mich«, so daß du sagst: Ein Christ ist nicht, der da ein herrlich, streng, ernstlich Mönchs- und Einsiedlerleben führt; denn solches können auch Juden und Türken tun, unter denen etliche viel strenger leben. Kurz, alles, was in uns und von uns geschehen kann, das macht keinen Christen. Was dann? Allein das, daß man diesen Mann kenne, von Ihm halte und sich zu Ihm versehe, was Er will von Ihm gehalten haben, nämlich, daß Er sei der gute Hirte, der Sein Leben für die Schafe läßt und sie erkennt. Solche Erkenntnis heißt und ist nichts anderes denn der Glaube, so da folgt aus der Predigt des Evangeliums."

,,Weicht alle von Mir!" O schreckliches Wort! So wird Er nur sagen zu jenen dort, Die hier nicht im Glauben zu Ihm gekommen Und Seine Versöhnung nicht angenommen Zu ihrem Heil.