Joh 3,19
C.O.Rosenius
Das ist das Gericht, daß das Licht In die Welt gekommen ist;
und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht.
Joh. 3, 19.
Als der Herr zum letztenmal in Jerusalem einzieht und beim
Blick auf die Stadt über sie weint und noch einmal das
unwiderrufliche Urteil über sie ausspricht, drückt Er die
Ursache dazu mit diesen Worten aus: ,,Darum, daß du nicht
erkannt hast die Zeit, darin du heimgesucht bist." Als die
Weingärtner die Knechte des Hausvaters mißhandelt hatten und
schließlich, als er seinen Sohn sandte, sagten: ,,Das ist der
Erbe; kommt, laßt uns ihn töten"; als diejenigen. die zur
Hochzeit geladen waren, nicht nur die Einladung verachteten,
sondern auch die Knechte griffen, sie höhnten und töteten,
,,da ward der König zornig und schickte seine Heere aus und
brachte diese Mörder um und zündete ihre Stadt an." Solange
die Juden sich von den Propheten zurechtweisen ließen und das
Wort schätzten, wenn sie auch dagegen sündigten, solange
züchtigte und erzog der Herr sie wie ein Vater seine Kinder;
als sie aber Seine Stimme nicht mehr hören wollten, sondern
Seine Worte mißachteten und sich schließlich an Seinem
Geliebten vergriffen und dieses einzige Versöhnungsopfer gar
verwarfen, da hatten sie kein anderes Opfer mehr für die
Sünde, sondern nur ein schreckliches Warten auf das Gericht
und den Feuereifer, der die Widersacher verzehren wird.
Der Herr spricht: ,,Das ist das Gericht" oder der Weg und
die Ursache der Verdammnis -, ,,daß das Licht in die Welt
gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr
als das Licht." Es ist also der Unglaube, der verdammt, zumal
die Menschen durch das Licht ohne Entschuldigung sind; es
folgt daraus, daß sie den Ermahnungen des Evangeliums nicht
stillhalten wollen, sondern ihnen widerstehen und dadurch den
Heiligen Geist Gottes erbittern, wie wir bei Jes. 63 lesen:
,,Sie erbitterten und entrüsteten Seinen Heiligen Geist;
darum ward Er ihr Feind und stritt wider sie."
,,So wir uns aber selbst richteten, so würden wir nicht
gerichtet", sagt der Apostel. Mit dem Menschen, der der
Stimme des Herrn stillhält, seine Sünde fühlt und erkennt und
sie gern los sein will, dabei aber fühlt, daß er unter der
Sünde gebunden und ohnmächtig, ja, verloren ist, und der
darum nur in Christus Barmherzigkeit und Errettung sucht -
mit diesem Menschen hat Gott eine beständige Geduld. Wie
sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr
über alle, die Ihn fürchten". Diesem Menschen rechnet er
keine Sünde zur Verdammnis zu, sondern schaut ihn in Seinem
geliebten Sohn als Sein angenehmes, wohlgefälliges, geliebtes
Kind. So spricht der Herr und beteuert es bei Seinem ewigen
Wesen: ,,So wahr ich lebe, Ich habe keinen Gefallen am Tod
des Gottlosen, sondern daß er sich bekehre und lebe."
Und abermals: ,,Ich bin das A und das O, der Anfang und das
Ende. Ich will dem Durstigen von dem Brunnen des lebendigen
Wassers umsonst geben." Höre, ,,umsonst!" Wer du auch bist,
der du diese majestätischen Worte liest und merkst, daß in
solchen Worten ein lebendiger, gegenwärtiger Gott und ein
heiliger Eiferer redet, beuge dich schleunigst vor Ihm!
Erkenne die Zeit, in der du heimgesucht wirst! Wenn es übel
um deine Seele steht, oder wenn du unter der Sünde gebunden
und fremd vor deinem Gott bist, eile zu Ihm, der da ruft:
,,Komm, Ich will dir alles vergeben, erkenne nur deine
Missetat, daß du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt
hast. Auch wenn deine Sünden blutrot wären, sollen sie doch
schneeweiß werden." ,,Nicht, daß du Mich gerufen oder um Mich
gearbeitet, noch Mich mit deinen Opfern geehrt hättest.
Nein, Mir hast du Arbeit gemacht in deinen Sünden und Mühe
in deinen Missetaten. Ich, Ich tilge deine Übertretungen
um Meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht." Welch
gnadenvolle Worte! Gott verleihe uns die Gnade Seines
Geistes zu glauben und damit die Seele zu erretten!
Ihr aber, die ihr mit Gott im Bund steht, freut euch, daß
ihr ,,ein unbewegliches (unerschütterliches) Reich empfangt!"
In dieser Zeit der merkwürdigen Unruhe und Ungewißheit, wo
beinahe die ganze Welt anfängt, die große Betrüglichkeit
und das Unsichere ihres Reiches zu erkennen, und wo im
geistlichen die mannigfachsten Winde der Lehre jeden prüfen,
ob er ,,das alte Wort" verlassen will - welch eine Gnade,
jetzt sein müdes Haupt an die Brust dessen legen zu können,
der da heißt ,,der Alte" und ,,Ewigvater", der da ist, und
der da war, und der da bleiben wird. Welche Gnade, daß Sein
Wort so deutlich in der Frage ist, wie wir selig werden.
Darum sei Gott ewig Lob dafür, daß wir nicht nötig haben, in
dieser Frage ungewiß zu sein! Laß dann nichts in dieser Welt
dich sehr beunruhigen!
Alles ist unsicher, alles ist eitel, außer diesem einen -
Gottes Freundschaft und die Gewißheit des ewigen Lebens zu
haben. Die Zeit ist kurz. ,,Die sich freuen, seien, als
freuten sie sich nicht; die da weinen, als weinten sie nicht;
die da kaufen, als besäßen sie es nicht; denn das Wesen
dieser Welt vergeht" - bald haben wir alle gleich viel.
Selig darum alle, die sich Seiner getrösten! Welch ein
himmlischer Trost in allen Widerwärtigkeiten schon in der
Zeit, daß nicht das geringste mir widerfahren kann ohne
die Zusendung meines Vaters! Das Geringste, was mein Herz
erfreut, ist von meinem Vater gesandt; das Geringste, was
mich beunruhigt und betrübt, ist mir auch von meinem Vater
gesandt. Dies ist der einzige Grund eines friedevollen
Herzens in dieser unruhigen Welt. Darum noch einmal:
,,Freuet euch und seid fröhlich, die ihr des Herrn harret!
Er ist bei euch alle Tage bis an der Welt Ende."
Auf, Christenmensch, auf, auf zum Streit!
Auf, auf zum Überwinden!
In dieser Welt, in dieser Zeit
Ist keine Ruh' zu finden.
Wer nicht Will streiten, trägt die Kron'
Des ew'gen Lebens nicht davon!