Joh 1,38
C.Eichhorn
Zwei suchende Seelen
Jesus wandte sich um und sah die zwei Jünger nachfolgen und
sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Joh. 1, 38
Es waren zwei ernste Gottsucher, Johannes und Andreas, die
sich dem Täufer Johannes angeschlossen hatten und sich nun zu
Jesus wendeten. Das Zeugnis des Täufers: "Siehe, das ist
Gottes Lamm!" gab ihnen den Anstoß dazu. Eine Predigt, die
nicht Seelen anregt, zu suchen, und Suchenden nicht dazu
verhilft, daß sie finden, ist wertlos, sie mag noch so schön
und interessant klingen. Durchschlagend ist allein das
Zeugnis von Jesus, dem Gotteslamm, das die Sünde der Welt auf
sich und dadurch weggenommen hat. Als das wahre Passahlamm
rettet er durch sein Blut vor dem Verderben, befreit uns aus
dem Ägypten dieser Welt und verhilft zum wahren Leben. Das
Zeugnis von diesem Gotteslamm hat sich dem Apostel Johannes
so tief eingeprägt, daß er ihn in seinem Evangelium und im
Buch der Offenbarung vor allem als das wahre Passahlamm vor
Augen stellt.
Jesus wandte sich um. Er spürte, daß zwei suchende Seelen
sich näherten. Eigentlich suchte er sie. Sein Vorübergehen
bedeutete ein Werben um diese Seelen. Er breitet aber nicht
sofort die Arme aus, um sie an sein Herz zu ziehen. Er
richtet vielmehr eine ernste Gewissensfrage an sie: "Was
sucht ihr?" In der Welt zieht und schleppt man die Leute
herbei, damit sie Kameraden und Parteigänger werden möchten.
Man sucht sie um jeden Preis in das eigene Fahrwasser zu
leiten. Anders im Reiche Gottes. Da sollen keine
Überredungskünste die Seelen überrumpeln. Jeder soll sich
klarmachen, ob sein Verlangen wirklich auf Gott und die Güter
des Himmels gerichtet ist.
Was suchst du bei Jesus? Vielleicht doch mehr äußere Hilfe
für die leibliche Not. Dann wirst du eine Enttäuschung
erleben. Du kommst nicht auf deine Rechnung. Der äußere
Mensch findet bei Jesus kein Wohlleben, vielmehr Trübsal und
Leiden; nicht Ehre, sondern Schmach; nicht Freiheit, sich
selbst zu leben, sondern Unterwerfung unter ihn als den
unbedingten Herrn. Die Juden zur Zeit Jesu suchten
größtenteils Befreiung von der Zwingherrschaft der Römer,
aber nicht von der Zwingherrschaft der Sünde.
Wer hingegen Antwort sucht auf die brennende Frage: "Ich
elender Mensch, wer wird mich erlösen?", dem ruft der Heiland
zu: "Komm und siehe!", und es wird ihm gehen wie den beiden
Jüngern: "Sie kamen und sahen und blieben." Sie gingen nicht
mehr von Jesus weg. Er stillte das tiefste Sehnen ihrer
Seele. Unvergeßlich war ihnen die Stunde, da sie zuerst
Jesus ins Antlitz blickten. Es war nachmittags 4 Uhr. Etwa
60 Jahre später schrieb Johannes sein Evangelium nieder. In
dieser langen Zeit ist ihm Jesus nur noch größer und
unentbehrlicher geworden. Das rechte Suchen führt zum Finden
und das Finden zu immer neuem Suchen und völligerem Finden.