Joh 1,14
C.H.Spurgeon
,,Als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und
Wahrheit."
Joh. 1, 14.
Gläubige Seele, du kannst Zeugnis geben, daß Christus der
eingeborne Sohn vom Vater ist, wie auch der Erstgeborne von den
Toten. Du kannst sagen: ,,Er ist in meinen Augen göttlich, und
wenn Er sonst für alle Welt nur Mensch wäre. Er hat für mich
vollbracht, was kein andrer tun kann außer Gott. Er hat meinen
unbeugsamen Willen gebrochen, mein diamantenhartes Herz
geschmolzen, Er hat eherne Tore gesprengt, und eiserne Fesseln
zerrissen. Er hat mein Weinen in Lachen verwandelt und meine
stumme Verzweiflung in laute Freude; Er hat mein Gefängnis
gefangen geführt und mein Herz erfüllt mit unaussprechlicher und
herrlicher Freude. Mögen andre von Ihm denken, was sie wollen,
mir ist Er der Eingeborne vom Vater, und muß es bleiben:
hochgelobet sei sein Name. Und Er ist voller Gnade. Ach! wenn Er
nicht gewesen wäre, so wäre ich nie selig geworden. Er zog mich
zu sich, wenn ich mich losringen wollte von seiner Gnade; und
als ich endlich ganz zitternd, wie ein verurteilter Verbrecher
zu seinem Gnadenstuhl kam, sprach Er: deine vielen und großen
Sünden sind dir alle vergeben; sei getrost! - Und Er ist auch
voller Wahrheit. Alle seine Verheißungen sind Ja und Amen
gewesen, und es hat auch nicht an einem gefehlet. Ich bekenne,
daß nie ein Knecht einen solchen Meister hatte, wie ich einen
habe; nie hat ein Bruder einen solchen treuen Freund gehabt, wie
Er sich gegen mich erzeigte; nie hat eine Braut einen so
herrlichen Bräutigam gehabt, wie Christus es für meine Seele
war; nie je ein Sünder einen gütigern Heiland, nie je ein
Betrübter einen kräftigern Tröster, als Christus es meinem
Geiste gewesen ist. Ich will nur Ihn, nur Ihn! Im Leben ist Er
mein Leben, und im Tode ist Er meines Todes Tod; in Armut ist
Christus mein Reichtum; in Krankheit mein Ruhekissen; in
Dunkelheit mein heller Stern und in der Herrlichkeit meine
Sonne; Er ist das Manna im Lager der Wüste, und Er ist das neue
Korn im Lande Kanaan. Der Herr Jesus ist mir ganz Gnade und kein
Gericht, ganz Wahrheit und kein Trug: von Gnade und Wahrheit ist
Er erfüllt, ganz und gar erfüllt." O meine Seele, erhebe an
diesem Abend aus aller Macht den eingebornen Sohn.
C.Eichhorn
Das Glaubensauge für Jesu Herrlichkeit
Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des
eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Joh. 1, 14
Jesus besitzt Gottesherrlichkeit. Durch ihn wird dem
Menschen Gnade zuteil. Gnade aber kann nur Gott spenden.
Es ist etwas Großes, daß Gott Welten ins Dasein gerufen hat
durch sein allmächtiges Wort. Aber noch etwas viel Größeres
ist es, daß er so tief gefallene Geschöpfe wiederaufrichtet,
zurechtbringt, begnadigt. Göttliches Vorrecht ist es,
Wunder zu tun. Aber das größte Wunder ist die Gnade der
Sündenvergebung und Erneuerung des Menschenherzens. Hoch
und niedrig, arm und reich, alle sind auf Gnade angewiesen.
Und diese Gnade wird uns zuteil durch den eingeborenen Sohn
vom Vater. - Wie die Gnade, so ist auch die Wahrheit eine
göttliche Eigenschaft. Wahrheit ist Treue, unbedingte
Zuverlässigkeit. Gott ist ein Fels. Auf ihn kann man sich
unbedingt verlassen und so auch auf Jesus, den eingeborenen
Sohn. Auch er heißt "Treu und Wahrhaftig". Er ist der
"Amen". Er täuscht nie. Alle Menschen sind Lügner, d.h.
man kann sich auf keinen unbedingt verlassen. Aber mit
dem Herrn Jesus ist man nie betrogen. Er hält, was er
verspricht. Noch keiner hat sagen können, daß er an ihm
zuschanden geworden ist. Alle, die ihn kennen, müssen
bezeugen: Alles, was ich von ihm gehört habe, ist wahr. Es
erfüllt sich. Vertraut man sich Menschen als Führern an, ist
man leicht verführt und wird in den Sumpf geleitet und bleibt
elend darin stecken. Der Herr Jesus aber hebt uns heraus aus
dem Sumpf, in dem wir verschmachten müßten. Er ist voll
Gnade und Wahrheit. - Die Hauptsache ist, daß wir mit
Johannes ausrufen dürfen: Wir sahen seine Herrlichkeit. Von
Natur sind wir alle blind für Gottes Herrlichkeit. Der Glanz
und die Herrlichkeit der sichtbaren Welt blenden unser Auge.
Wir sind ganz versunken und trunken von der Weltherrlichkeit.
Wenn die Herrlichkeit des Sohnes Gottes uns vor Augen treten
soll, müssen die Welt und ihr Glanz zuerst in den Schatten
treten. Der bunte Flitter muß seinen Reiz verlieren. Vor
allem hindert auch die Selbstherrlichkeit, daß man die
Herrlichkeit Jesu erblickt. Es steht vor dem Menschen sein
eigenes Bild so schön und entzückend. Er ist verliebt in
sich, eingenommen und überzeugt von sich. Erst wenn wir die
Häßlichkeit unseres eigenen Wesens erkennen, kann uns die
Herrlichkeit des Sohnes Gottes aufgehen. Er leuchtet nun auf
dem dunklen Untergrund unseres eigenen bösen und verderbten
Wesens. Solange sich der Mensch noch selbst gefällt, kann
ihn der Heiland nicht entzücken. Der selige Pastor Engels
bekannte - es war die letzte schriftliche Äußerung - :
"Ich gefalle mir nicht! " Andern hat er gefallen, die ihm
nahestanden und ihn Jahr und Tag beobachteten. Sie sahen
in ihm das Bild Jesu in seltener Klarheit und Schönheit
ausgeprägt. Er selbst gefiel sich nicht. Nur solche können
mit Johannes ausrufen: Wir sahen seine Herrlichkeit voller
Gnade und Wahrheit.
C.O.Rosenius
Das Wort ward Fleisch. Joh. 1, 14.
Das Wort, das ewige Wort ward Fleisch. Gottes ewiger Sohn
wird Mensch, wirklicher Mensch, nur nicht ein sündiger,
sondern ein reiner Mensch, geboren von einer Frau. Wer von
einer wahren, natürlichen Frau geboren wird, der muß auch ein
wahrer, wirklicher Mensch sein. So ist auch Gottes ewiger
Sohn ein Glied unseres Geschlechts, so daß Sein Stamm und
Seine Vorfahren unter die Nachkommen Adams gezählt werden,
wie es das erste Blatt des Neuen Testamentes zeigt. Gottes
Sohn ist unser Verwandter, unser Blutsverwandter, ,,den
Brüdern gleich", die Sünde ausgenommen. Unbegreifliche Liebe
Gottes, die einen so wunderbaren und so gnadenvollen
Ratschluß zu unserer Errettung faßte!
Aber hier wird es vor den Augen der Vernunft schwarz. Gottes
ewiger Sohn unser Blutsverwandter, unser Bruder! Ist es
wahr? Ist es möglich? Ich beginne und ich schließe, und
ich beginne wieder mit diesem Punkt. Ist es wahr? Ist es
möglich? Ich kann es nicht begreifen, kann aber auch nicht
davon wegkommen. Meine Gedanken werden gleichsam in ein Netz
ewiger Unbegreiflichkeiten, zugleich aber auch in ein Netz
unwiderleglicher Zeugnisse eingeschnürt. Die Frage hat ein
solches Gewicht, daß mit ihr das ganze Christentum steht oder
fällt und damit zugleich auch unsere ganze Errettung und
Seligkeit.
Einerseits ist es viel zu groß und zu herrlich, daß wir
armen, gefallenen Menschenkinder so hoch geschätzt und geehrt
sein sollten, daß Gottes ewiger Sohn unser Bruder und
Blutsverwandter sein soll - viel zu groß und herrlich, so daß
ich es wegen seiner Größe nicht glauben kann. Andererseits
ist mir dieser Stein des Anstoßes zu schwer, um ihn wegwerfen
zu können. Es steht eine Welt voller Zeugnisse da, die auf
Ihn deuten; zuerst ein ganzes Weltalter der merkwürdigsten
Vorhersagungen, sodann ein nachfolgendes Weltalter der
merkwürdigsten Erfüllungen und der wunderbarsten pünktlichen
Vollziehungen alles dessen, was vorhergesagt wurde. Kann
ich die Person wegwerfen, die der Gegenstand dieser
Voraussagungen und Erfüllungen ist? Den Stein, der von den
Bauleuten verworfen wurde, den Gott aber zu einem Eckstein
machte, - sollte ich versuchen, den wegzuwerfen? Oder kann
ich auch nur das verwerfen, was ich heute von Seinem Reich
auf Erden sehe? Ja, kann ich alles das verwerfen, was ich
selbst von diesem getreuen Herrn erfahren habe? O nein! Er
ist ein lebendiger und gegenwärtiger Gott, wir kennen Ihn ja,
- doch nur als offenbart im Fleisch, denn niemand kennt den
Vater, denn nur der Sohn.
Kann ich aber andererseits all das Große und Herrliche
glauben, was darin liegt, daß Gott offenbart ist im Fleisch?
Das ist doch allzu groß und herrlich! Und doch ist es eine
ewige und göttliche Wahrheit, die ebenso gewiß und göttlich
ist, wenn auch die Vernunft aller Menschen daran zerschellt.
Ja, Gott sei Dank, daß wir sie nicht begreifen können, d.h.,
daß wir nicht einen so kleinen Gott haben, dem unsere arme,
blinde Vernunft folgen könnte! Er bewahre uns davor, einen
Gott zu haben, der unseren nicht einmal unser eigenes Wesen
verstehenden Verstand übersteigen würde!
Daß das arme, gefallene und enge Herz diesen
unaussprechlichen Schatz und diese unbeschreibliche
Freude aber nicht behalten kann, das ist doch eine Plage,
derentwegen man sich eine baldige Erlösung wünschen kann.
Könnte ich diese große Herrlichkeit nur lebendig in
meinem Herzen behalten, daß Gottes ewiger Sohn unser
Blutsverwandter, unser Bruder ist, dann wollte ich nichts
mehr, dann hätte ich für Zeit und Ewigkeit genug. Denn dann
würde ich solche Schlüsse aus diesem seligen Verhältnis
ziehen, daß kein einziger trauriger Gedanke mehr Raum
bekommen könnte. Mein armes Herz würde wohl eher vor allzu
großer Freude und Wonne brechen. Unser gefallenes und
erniedrigtes Geschlecht ist so geehrt worden, daß Gottes
ewiger Sohn sich in unser Geschlecht begeben hat, einer
unseresgleichen, unser Blutsverwandter geworden ist. Nun
will ich nichts mehr wissen, unser Geschlecht ist wahrlich so
geehrt und über alle Engelthronen, ja, bis in den Himmel
erhöht worden, so daß man wohl sagen muß, daß unser durch den
Sündenfall erlittener Schaden, unsere Schmach und
Erniedrigung mehr als reichlich gerächt und erstattet sind.
Jetzt ist es die größte Ehre, ein Mensch zu sein; ja, die
heiligen Engel hätten wahrlich Grund zu wünschen: ,,Ach, wer
nur ein Mensch wäre!" Es ist wahr, was Luther bemerkt:
,,Nachdem der Sohn Gottes ein Mensch geworden ist, sollte
dies doch die Frucht und die Wirkung auf uns haben, daß wir
alles, was Mensch heißt, innig lieben und uns darüber freuen
und nie mehr irgendwelche Unfreundlichkeit gegen ein Mitglied
dieses Geschlechts hegen."
Alle Christen müßten sich auch zu ihrem Troste und ihrer
Ermunterung gegen alle Widerwärtigkeiten des Lebens etwas
tiefer in diese Betrachtung versenken und Gott um die Gnade
bitten, sie in ihr Herz hineinzubringen, so daß sie mit
großer Freude und Verwunderung sprechen könnten: ,,Jetzt will
ich nichts mehr. Gottes Sohn ist ein Mensch! Dann wird es
mit allem gut werden. Ist Gottes Sohn unser Anverwandter
oder Blutsverwandter geworden, dann ahne ich im Herzen Gottes
eine größere Liebe zu den Menschen, als wir gewöhnlich
glauben. Dann muß es nicht so sein, wie es uns so oft
vorkommt, daß Gott fern und gleichgültig gegen uns sei; nein,
dann muß ein tiefes Verbergen dahinterliegen, ein wundersames
Spielen mit uns, wenn Er sich so verhält, als kümmere Er sich
nicht um uns."
O, Abgrund der Barmherzigkeit,
Daß Gott sich hat in Fleisch gekleidt'
Die Menschheit angenommen,
In allem, ohn' die Sünd, uns gleich!
Willkomm'n, Herr Gott, vom Himmelreich!
Willkomm'n, Herr Jesu! Amen.
J.Kroeker
Von der Reichsgottesoffenbarung im Sohn.
"Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns; und
wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als
des Eingeborenen vom Vater voller Gnade und Wahrheit."
Ev.Joh. 1,14.
Was bedeutet im biblischen Sprachgebrauch der Begriff
Offenbarung? Sie war zu allen Zeiten der Heilsgeschichte nie
etwas Geringeres als freiwillige Selbstmitteilung Gottes.
Gott enthüllte je und je zum Heile der Einzelnen und der
Menschheit, was Er ist, wie Er liebt, zu welch einer Geistes-
und Lebensgemeinschaft Er uns erlösen will, wie Er uns zu
Erben seines Königreiches und zu Jüngern seines Gesalbten
berufen hat.
Aber alle Gottesoffenbarung musste Fleisch werden, um von
uns erkannt, vernommen und verstanden zu werden. Der Geist
musste im Erleben der Propheten, im Zeugnis der Apostel, in
der Person unseres Herrn und Heilandes erst zu einem Fleisch
gewordenen Wort werden, um zu uns reden zu können. Eine
absolute Gottesoffenbarung gibt es mithin nicht. Sie ist nur
Gott allein. Wir haben nur eine durchs Erleben empfangene
und durch das Zeugnis erleuchteter Menschen der Welt
weitergegebene Offenbarung. Kein Prophet und Apostel war je
fähig, Gott in seiner ganzen Majestät und in der Fülle seines
Heils zu fassen. Wäre das möglich, so wäre solch ein Mensch
Gott. Nur Jesus als Sohn konnte uns mithin die Fülle der
Gottesherrlichkeit enthüllen und uns von derselben so viel
mitteilen, als wir zu unserem Heil durch den Glauben zu
empfangen vermögen.
Wenn die Schrift nun so viel von der Gottesherrlichkeit
spricht, so ist der Begriff immer Ausdruck der Welt, der
Königsherrschaft, der Geistesaktivität Gottes. In dem
Begriff Herrlichkeit liegen die ganze Größe seiner
Gottesmajestät, die schöpferischen Energien seines Geistes,
die Macht seiner vergebenden Liebe, die Fülle seiner
heilsgeschichtlichen Offenbarung. In dieser Welt Gottes
wandelte Jesus wie in seinem Vaterhaus. In der Kraft dieser
Energien Gottes wirkte Jesus und diente daher in der
Vollmacht seines Vaters. In dieser Welt der Vergebung Gottes
lebte Jesus, daher trug er die Vergebung seines Vaters in das
Leben der Mühseligen und Beladenen, der Zöllner und Sünder.
Diese Fülle von Herrlichkeit Gottes suchte Jesus durch sein
Reden und Dienen, durch seine Wunder und seine Leiden zu
offenbaren. Daher pries das Volk Gott, der solche Macht den
Menschen gegeben hatte, wenn es Jesus in seinem Wirken sah.
Denn seine in Knechtsgestalt gehüllte Herrlichkeit wurde
sichtbar in seinen Handlungen. So oft Er sprach und so oft
Er diente, brach die Welt seines Vaters durch in die Welt der
Sünde und des Todes.