Lk 23,27
C.H.Spurgeon
,,Es folgte Ihm aber nach ein großer Haufe Volks und Weiber, die
klagten und beweinten Ihn."
Lk. 23, 27.
Mitten unter dem Pöbelhaufen, der unsern Herrn und Heiland
lärmend zur Richtstätte verfolgte, waren etliche begnadigte
Seelen, deren bittere Schwermut sich in Klagen und Tränen Luft
machte, - ein recht geeigneter Trauermarsch zur Begleitung auf
diesem Leidenswege. Wenn meine Seele vermag, sich den Heiland zu
denken, wie Er sein Kreuz nach Golgatha schleppt, dann schließt
sie sich den gottseligen Weibern an und weint mit ihnen; denn
wahrlich, hier ist ein rechter Grund zum Schmerz, ein Grund, der
tiefer liegt, als jene trauernden Frauen dachten. Sie trauerten
über die mißhandelte Unschuld, über die verfolgte Seelengüte,
über die blutende Liebe, über die in den Tod dahingegebene
Sanftmut! aber mein Herz hat noch tiefere und schmerzlichere
Ursache zur Trauer. Meine Sünden waren die Henkersknechte, die
diesen heiligen Rücken zerrissen, die diese bluttriefende Stirne
mit Dornen krönten; meine Sünden schrieen: ,,Kreuzige! kreuzige
Ihn!" und luden seinen treuen Schultern das Kreuz auf. Daß Er
zum Tode geführt ward, ist schon mehr als genug für eine
Ewigkeit der Trauer und des Schmerzes: aber daß ich's war, der
Ihn mordete, ist mehr, unendlich mehr, als je ein armer
Tränenquell erzählte.
Warum jene Frauen den Herrn Jesum liebten und beweinten, ist so
sehr begreiflich; aber sie konnten nicht größere Ursache zur
Liebe und zum Schmerz haben, als meine eigne Seele. Der Witwe zu
Rain war ihr Sohn aus dem Grabe wieder geschenkt worden - ich
bin auferweckt worden zu einem neuen Leben. Petri
Schwiegermutter ward vom Fieber geheilt - ich von der schweren
Sündenseuche. Aus Maria Magdalena waren sieben Teufel
ausgefahren - aus mir hat Er eine Legion Teufel ausgetrieben.
Maria und Martha hatten Ihn oft beherbergt - aber in mir wohnt
Er. Seine Mutter hatte Ihn getragen - aber in mir hat Er eine
Gestalt gewonnen zur Hoffnung der Herrlichkeit. Ich stehe in der
Schuld nicht hinter den heiligen Weibern zurück, so will ich
denn auch in dankbarer Trauer ihnen nicht nachstehen.
,,Nichts kann und soll hinfort von Dir mich scheiden;
Ich bleibe Dein, bis Du mich dort wirst weiden,
Wo Deine Liebe ewig wird besungen
Mit Engelzungen."