Lk 15,20
C.Eichhorn
Verloren und gerettet (III)
Und da er noch ferne war, sah ihn sein Vater, und es
jammerte ihn, lief und fiel um seinen Hais und küßte ihn.
Luk. 15, 20
So unwert der verlorene Sohn sich fühlte, war doch ein
Fünklein Vertrauen bei ihm, daß der Vater ihn nicht
hinausstoßen werde. Dieser Glaube betrog ihn nicht. Seine
Erwartungen wurden überschwenglich übertroffen. Gott, der
die Liebe ist, sieht die ersten Regungen aufrichtiger Reue.
Wie er den Hoffärtigen "von ferne" kennt, ebenso den
Bußfertigen. Er kommt dem Sünder entgegen. Er führt den
Menschen nicht gewaltsam zurück, ebensowenig, wie er ihn
gewaltsam bei sich festhält. Aber er bietet alles auf, ihn
zur Rückkehr zu bewegen, und streckt ihm die Hand entgegen.
Es scheint zwar manchmal, als wolle er das Flehen um Gnade
nicht erhören. Aber dem ist nicht so. Es dauert nur oft
lange, bis der Mensch auf dem Punkt völligen inneren
Bankrotts angelangt ist, wo er seine Schuld nicht bloß
erkennt, sondern auch rückhaltlos und demütig bekennt.
Aber dann zögert der Herr nicht, Gnade zu erzeigen. - "Es
jammerte ihn." Er behandelte den verlorenen Sohn nicht als
einen abscheulichen, undankbaren und ungehorsamen Menschen,
dem recht geschieht, sondern als einen bedauernswerten, der
sich selbst in seiner Verblendung ins Unglück gestürzt hat.
Solche barmherzige Beurteilung der Menschen sei auch unsre
Lebensaufgabe! Er vergab und vergaß alles. Wir vergeben und
halten doch dem andern gelegentlich sein Vergehen wieder vor.
Der Kuß drückt die Liebesversicherung aus, die Gott dem
Sünder, den er annimmt, ins Herz gibt. O wie großartig
handelt Gott! Der ungeratene Sohn kann ihm nichts bringen
als Lumpen und ein ehrliches Bekenntnis seiner Schuld, und
er behandelt ihn mit der ausgesuchtesten Freundlichkeit und
Huld. - Anstatt seiner schmutzigen Lumpen erhält er das
"beste Kleid". Gott schmückt den Sünder mit dem kostbaren
Rock der Gerechtigkeit, den uns Christus bereitet hat. Der
Fingerreif, den er ihm ansteckt, ist ein Siegelring, wie ihn
der freie Mann im Gegensatz zum Sklaven trug. Ein Gotteskind
ist allein frei und von niemand abhängig als vom Vater. Die
Schuhe an den Füßen machen, daß man fest und sicher auftreten
kann. Wenn Gott einem Menschen begnadigt hat, mögen die
Menschen ihm sein früheres Leben vorwerfen, wie es der ältere
Bruder tut. Er darf dennoch freudig auftreten, er braucht
nicht verlegen und scheu einherzuschleichen. Dann bereitet
ihm der Vater ein Mahl von auserlesenen Speisen. Die im
Sündenelend verschmachtete Seele wird erquickt und belebt.
Und wo Leben ist, da ist auch Freude. Gott verlangt nicht
gleich etwas. Erst die Gabe, dann die Aufgabe! "Erst lässet
er die Seele ruhn, dann essen und hernach was tun." - "Und
sie fingen an, fröhlich zu sein." Diese Freude schlägt ihre
Wellen durchs ganze Leben des Begnadigten bis hinein in alle
Ewigkeit. Graut dir vor der Bekehrung? Sie ist die Heimkehr
zum Vater, der die Quelle des Lebens und der Freude ist.
Satan, Welt und dein eigen Herz wollen sie dir als Trübsinn
und Verzicht auf Lebensfreude hinstellen. Glaube diesen
Lügen nicht! Laß dir das Heimweh wecken nach dem wahren
Leben und nach deinem Platz im Vaterhaus!
D.Rappard
Da er noch fern war, sah ihn sein Vater, und es
jammerte ihn, lief und fiel ihm um den Hals
und küßte ihn.
Luk. 15,20.
Fern vom Vaterhaus ist der Mensch ein Verlorener, ob er
in Lüsten schwelgt, oder in der Öde darbt. Das Sich-lösen
vom Vaterherzen ist der Ursprung des Unglücks. Mit einem
gewissen Selbstgefühl reißt sich mancher Jüngling und auch
manches junge Mädchen los von den gottseligen Gebräuchen des
Elternhauses und meint, es gehöre zur sittlichen Kraft, seine
Führung nun selbst in die Hände zu nehmen. Aber im tiefsten
Grund reißt es sich damit los von Gott. Man braucht nicht
in offenbaren Sünden zu wandeln, um ein verlorener Sohn,
eine verlorene Tochter zu sein.
Wer nicht daheim am Heilandsherz
Bleibt ewig heimatlos!
Wo bist du heute, mein Leser? Bist du d a h e i m? Oder
bist du d r a u ß e n? Komm, wirf einen Blick in das Vaterhaus,
das jener Sohn einst in Leichtsinn und Selbstsucht verließ.
Was sehen wir dort? Einen Vater, der sehnend ausspäht nach
dem Wanderer, der, als er ihn von fern erblickt, ihm
e n t g e g e n l ä u f t, ihn in all seinem Elend in die Arme
nimmt, ihn küßt und wieder hineinführt in das Vaterhaus. -
Sieh, welch eine Liebe! Und dieselbe Liebe wartet auch auf
dich. Bleibe ihr nicht fern! O verlorenes Kind, komm heim!
Komm heim!
O binde mich an Dich!
Ich weiß, daß Du die Deinen niemals läßt.
Sie aber irren leicht; drum halt mich fest!
Ch.Spurgeon
"Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und hatte
Erbarmen, lief, fiel ihm um den Hals und küßte ihn."
Lukas 15,20
Wenn der verlorene Sohn gewußt hätte, was der ältere Bruder
von ihm dachte und sagte, so würde ich mich nicht gewundert
haben, wenn er davongelaufen und nie wiedergekommen wäre. Er
wäre vielleicht in die Nähe des Hauses gekommen und hätte
sich dann, wenn er den älteren Bruder gehört hätte, wieder
fortgeschlichen. Aber ehe es soweit kam, hatte ihm der
Vater die vielen Küsse gegeben.
Junger Mann, vielleicht hast du vor kurzem den Heiland
gefunden. Es mag sein, daß du mit einem älteren Bruder
sprechen möchtest und er sich fürchtet, mit dir zu reden.
Ich wundere mich nicht, wenn er vorsichtig ist, denn du bist
noch nicht jemand, mit dem man gern spricht. Aber wenn du
deines Vaters viele Küsse empfangen hast, wird es dich nicht
umwerfen, wenn dein älterer Bruder etwas hart gegen dich
auftritt.
Gelegentlich hörte ich von jemand, der sich einer Gemeinde
anschließen wollte, sagen: "Ich wandte mich an die älteren
Brüder, und einer von ihnen ging ziemlich grob mit mir um.
Dahin werde ich nicht noch einmal gehen."
Ist es nicht die Pflicht der Brüder, einige von euch etwas
hart anzufassen, damit ihr euch nicht über euren wahren
Zustand täuscht? Wir wünschten nichts mehr, als euch in
Liebe zu Christus zu bringen; aber wenn wir befürchten
müssen, daß ihr nicht wahrhaft zu Gott zurückgekehrt seid,
so müssen wir es euch als ehrliche Menschen doch sagen.
Junge Christen werden oft erschreckt, wenn sie mit jemand
zusammentreffen, der wegen eines natürlichen Geistes der
Vorsicht oder vielleicht auch aus Mangel an geistlichem Leben
diejenigen nur kalt aufnimmt, denen der Vater so viel Liebe
erwiesen hat. Beachte solche strengen älteren Brüder gar
nicht. Vielleicht wird uns gerade deshalb mitgeteilt, daß
der Vater den verlorenen Sohn oftmals küßte, weil ihn der
ältere Bruder so kalt behandelte und es ablehnte, an der
Feier teilzunehmen.
J.Kroeker
Vom neuen Menschen.
"Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er
aber noch ferne war, sah ihn sein Vater und erbarmte sich,
lief, fiel ihm um den Hals und küsste ihn." Luk. 15,20.
Gottes großes Warten innerhalb der Geschichte gilt sowohl dem
Jüngsten in der Fremde als auch dem Ältesten im Vaterhaus.
Beide haben die Gemeinschaft mit ihm verloren.
Gewiss ist die Schöpfung für Ihn eine Fülle der Herrlichkeit.
Gewiss stehen vor dem Thron seiner Majestät Cherubinen und
Engelmächte, um Ihm in heiliger Ehrfurcht zu dienen. Gewiss
beten Ihn die Seraphinen mit dem ewigen Wechselgesang an:
"Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen! Die
ganze Erde eine Fülle seiner Herrlichkeit!" Vatergemeinschaft
hat der Gott der Barmherzigkeit aber nur mit dem Sohn. Kein
anderes Geschöpf wird je das Wort über die Lippen zu bringen
vermögen: "Abba, Vater!" Mit keinem Geschöpf wird Gott je in
solch eine Geistesgemeinschaft treten können, wie mit dem,
der sein Ebenbild trägt und den Er durch seine Aktivität,
durch sein Hinabsteigen zum Verlorenen wiederum erlösen
konnte für die Sohnschaft.
Wir sprechen oft von unserem Ringen um Gott. Wie stark ist
vor einigen Jahren unser Gottsuchen betont worden! Gott
ringt um uns! Was war es denn, als die Zeitenfülle kam und
Gott seinen Sohn sandte, von einer Frau geboren, unter das
Gesetz getan? Geschah es nicht zu dem einen Zweck, "damit
Er die dem Gesetz Unterworfenen loskaufe, auf dass uns die
Einsetzung in die Sohnschaft würde"? Auch wir standen unter
der Herrschaft eines Fremden, sahen uns geknechtet durch jene
Geistesmächte, die ihren Einfluss ausüben in der Welt.
Christus als der Erstgeborene in seiner Sendung vom Vater
sollte uns, den Verlorenen in der Fremde, aber zur Botschaft
der Vergebung und zum Weg ins Vaterhaus werden.
Alles in der Person Jesu Christi sprach daher von der Welt
Gottes, dem Königreich der Himmel, das wieder unser Vaterhaus
werden soll. Wer in der Ferne heimatlos geworden ist, wer
sich von den Gütern der Fremde betrogen sieht, wer innerlich
zu zerbrechen droht an dem Leben, dem kündet Er: "Er hat mich
gesandt, den Armen gute Botschaft zu verkündigen, zu heilen,
die zerbrochenen Herzens sind; Gefangenen Befreiung zu
predigen und den Blinden, dass sie wieder sehend werden;
Zerschlagene in Freiheit zu setzen; zu predigen das angenehme
Jahr des Herrn." Und glaubt jemand, dass seine Schuld ihn
verurteile, für immer am Trebertrog zugrunde zu gehen, dem
ruft Er zu: "Und als der Vater ihn von ferne sah, lief er
ihm entgegen und küsste ihn."
J.Kroeker
Vom neuen Menschen.
"Als er aber noch ferne war, sah ihn sein Vater und
erbarmte sich, lief, fiel ihm um den Hals und küsste
ihn." Luk. 15,20.
Gottes Ringen um den Sohn war nie etwas anderes als ein
Kommen Gottes dem Sohne entgegen. Auch der verlorene Sohn,
nachdem er in sich geschlagen und sich aufgemacht hatte, um
zu seinem Vater zu gehen, kam ja doch nicht mehr über den
Knecht hinaus. Die einzige Hoffnung, die ihm geblieben war,
war jene: Vielleicht nimmt mein Vater mich an als einen
seiner Tagelöhner. Über diese Hoffnung kam der Sohn in der
Ferne in seinem verlorenen Zustand nicht hinaus. Der Vater
aber in seiner Vergebung ging weit über eine Knechtstellung
dem Verlorenen gegenüber hinaus. Denn als Er den Sohn sah
und in seine Gegenwart hineinziehen konnte, da küsste Er ihn.
In seinem Kuss lag aber die ganze Vergebung der Ewigkeit. In
ihm sprach jene Vaterliebe, die auch den Sohn in der Ferne
nie verloren hatte. Nicht Gott hat uns verloren, wir haben
Gott verloren!
Das ist Gottes Aktivität. Unsere Sohnschaft, wahrlich ein
Geheimnis, das nicht von uns und unserer Buße und unserer
Bekehrung her zu verstehen ist. Es ist aber zu verstehen von
der Aktivität Gottes. Es ist die Tat seiner Barmherzigkeit,
die auch uns in der Knechtschaft der Sünde und des Todes
fand, die in ihrer Vergebung auch für den Verlorenen immer
wieder Raum schuf im Vaterhaus.
Dieselbe Aktivität des Vaters sehen wir aber auch dem
ältesten Sohn gegenüber. Auch er wäre verloren geblieben,
wenn nicht der Vater auch zu ihm hinausgegangen wäre. Es
heißt im Gleichnis, dass der älteste Sohn sich ärgerte, als
er hörte von dem Reigen der Festversammlung im Vaterhaus.
Er ließ sich abhalten, die Freude über die Heimkehr des
verlorenen Bruders am Tisch seines Vaters zu teilen. Er
kannte nichts von Vergebung, daher verstand er auch nicht
die Vergebung, die Verlorenes wieder findet. Er gefiel sich
in dem, dass er die ganze Zeit seines Lebens seinem Vater
gedient, nie das Gebot seines Vaters übertreten hatte. Er
wog diese Stellung seinem Vater gegenüber ab und kam zu dem
Ergebnis: "Nie hat der Vater mir einen Bock gegeben." Wie
fern stand mithin auch der älteste Sohn innerlich seinem
Vater! Wie unfähig erwies er sich, die Größe, die Vergebung
und die Freude seines Vaters zu teilen!
Wie ringt nun der Vater um die Heimkehr auch dieses Sohnes!
Über die ganze innere Stellung des Sohnes hinweg spricht der
Vater: "Mein Sohn! Alles was mein ist, das ist auch dein!
Siehe nun, dieser dein Bruder, er war verloren und ist wieder
gefunden worden! Teile doch die Größe meiner Vergebung mit
mir! Finde doch auch den Weg über die Schuld deines Bruders
zu dem Bruder, der verloren war, aber wieder gefunden worden
ist von der Barmherzigkeit deines Vaters!"