Lk 15,15
C.H.Spurgeon
"Der verlorene Sohn sprach: Vater, ich habe gesündigt in dem
Himmel und vor dir." Luk. 15, 18.
Hier ist ein gesegnetes Bekenntnis! Hier ist das, was
den Beweis eines wiedergeborenen Menschen abgibt. Der
verschwenderische Sohn verließ seine Heimat, seinen liebevollen
Vater, und verpraßte all' sein Geld mit Huren, und jetzt war er
in bitterster Armut. Er geht zu seinen alten Sündengenossen und
bittet sie um Hilfe. Sie verlachen ihn. "O," sagt er, "ihr habt
manchen Tag meinen Wein getrunken; ich habe immer den
Zahlmeister gemacht in unsern Lustbarkeiten; wollt ihr mir
jetzt nicht helfen?" Sie erwiderten: "Fort mit dir!" und jagten
ihn aus dem Hause. Er geht zu allen seinen Bekannten, aber
niemand hilft ihm. Zuletzt sagt ein Bürger der Stadt: "Sie
suchen Arbeit, nicht wahr? Gut, hüten Sie meine Schweine."
Der arme Verschwender, der Sohn eines reichen Gutsbesitzers,
noch dazu ein Jude, muß nun Schweine hüten - die schlimmste
Beschäftigung, die ihm nach seinen Begriffen auferlegt werden
konnte. Da seht ihn in schmutzigen Lumpen, wie er Schweine
hütet; und was ist sein Lohn? Dieser ist so gering, daß er
gerne seinen Bauch mit den Hülsen, welche die Schweine fressen,
angefüllt haben würde, wenn sie ihm jemand gegeben hätte.
Da ist er nun der Sauhirte in all seinem Kot und Unflat.
Plötzlich durchdringt ihn ein Gedanke, welchen der gute Geist
ihm eingab: " Wie kommt's," sagt er, "daß in meines Vaters Haus
Brot in Fülle ist, und ich verderbe vor Hunger? Ich will mich
aufmachen und zu meinem Vater gehen, und will zu ihm sagen:
Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir, und bin nicht
mehr wert, dein Sohn zu heißen, mache mich zu einem deiner
Taglöhner." Er macht sich auf, bettelt sich durch von Stadt zu
Stadt, und kommt zuletzt auf den Hügel, der vor seinem Dorf
liegt; von dort aus sieht er unten das Haus seines Vaters. Beim
Anblick seiner alten Heimat erwachen in ihm die Gefühle und
Erinnerungen seines früheren Lebens, und Tränen fließen über
seine Wangen, und beinahe möchte er wieder davonlaufen. Er
sagt: "Ob vielleicht mein Vater gestorben ist? und wenn er noch
lebt, ob er mich sehen will, oder ob er die Türe vor mir
zuschließen wird? Was soll ich tun? Ich kann nicht zurück und
nicht vorwärts gehen." Während er so mit sich selbst zu Rate
ging, wandelte der Vater oben auf dem Hause und sah den
verlorenen Sohn, der aber den Vater nicht wahrnahm. Der Vater
eilt die Treppe herab, läuft dem Sohn entgegen, und während
dieser entfliehen will, umschlingt der Vater seinen Hals mit
den Armen, küßt ihn, wie ein liebender Vater tut, und dann
beginnt der Sohn: "Vater, ich habe gesündigt in dem Himmel und
vor dir, und bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn
heiße." Aber der Vater legt seine Hand auf seinen Mund und
sagt: "Sprich nicht weiter davon; ich habe dir alles vergeben;
du sollst nichts erwähnen von einem Taglöhner - ich will das
nicht haben. Komm, armer Sohn. Und ihr, Knechte, holt mir das
beste Kleid und zieht es ihm an, und gebt ihm Schuhe an seine
blutenden Füße; bringt ein fettes Rind, schlachtet es und laßt
uns essen und fröhlich sein; denn dieser mein Sohn war tot und
ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wieder
gefunden; und sie fingen an fröhlich zu sein." O, was für eine
herrliche Aufnahme des Vornehmsten unter den Sündern! Sein
Vater sah ihn, das waren Augen der Barmherzigkeit; er lief ihm
entgegen, das waren Füße der Barmherzigkeit; er umschlang
seinen Hals mit seinen Armen, das waren Arme der
Barmherzigkeit; er küßte ihn mit Küssen der Barmherzigkeit;
er redete zu ihm mit Worten der Barmherzigkeit; da waren Taten
und Wunder der Barmherzigkeit - alles lauter Erbarmen.
O, was für ein Gott der Barmherzigkeit ist Er!