Lk 5,16
S.Keller
Luk. 5, 16: «Er aber entwich in die Wüste und betete.»
Wenn Jesus das nötig hatte, bisweilen seinem ganzen
aufreibenden Arbeitsgetriebe und den umdrängenden Menschen zu
entweichen, um in der Stille der Wüste zu beten - wieviel
mehr bedürfen wir das! Manche Entgleisung der Kinder Gottes,
manche Übereilung, mancher schmähliche Zusammenbruch wäre
nicht vorgekommen, wenn sie diese weise Selbsterhaltung
beizeiten geübt hätten. Heilige Stille, gesegnetes
Alleinsein mit seinem Gott! In solcher Stille wachen bei uns
andere Stimmen auf, die sonst nicht gern gehört werden: da
hört der Herr die Privatbeichte seiner Knechte. Da, wenn
unser Mund schweigt, öffnen sich in uns die geheimnisvollen
Türen, und Gott kommt zu Wort. Wenn wir anfangen uns zu
fürchten vor solcher völligen Einsamkeit, dann ist meist
schon in unserem Seelenleben etwas nicht in Ordnung. Dann
hatten wir die Medizin der Stille erst recht nötig. Aber
Stillesein allein kann Raum zu nutzlosem Grübeln geben: wir
müssen auch beten. Aussprache und Antwort, Geben und Nehmen,
ein seliges, heiliges Weberschifflein, das hin und her geht,
bis das feine Gewebe eines gottgefälligen Neugewordenseins
fertig ist! Je wahrer wir, desto offener er!
Lieber Vater im Himmel, der du in das verborgene Leben
unserer Seele hineinsiehst, segne uns solche Stunden und
besuche du uns mit dem heiligen Wehen deines Geistes. Schenk
uns eine Erneuerung unseres Sinnes vor deinem Angesicht!
Amen.