Mk 15,9
J.Kroeker
"Pilatus aber antwortete ihnen: Wollt ihr, dass ich euch den
König der Juden losgebe? - - - Aber die Hohenpriester
reizten das Volk, dass er ihnen viel lieber den Barabbas
losgebe." Mark. 15,9 ff.
Zu oft ist es auch innerhalb der Kirche Christi vergessen
worden, dass das Kreuz die Schöpfung unserer Sünde ist. Auf
Golgatha sprach der Mensch in seiner Blindheit und Schuld, in
seinem Abfall und in seiner Absage. Hier verneinte er den,
den Gott in seiner Sendung, seinen Vollmachten und Diensten
bejaht hatte. Golgatha war des Menschen große Stunde, in der
er sein letztes Urteil über den sprach, der als Prophet in
göttlichen Vollmachten geredet hatte, wie Schriftgelehrte
nicht reden konnten. Auf Golgatha wurde offenbar, wie man
den einschätzte, der gesegnet, gesund gemacht, Aussätzige
gereinigt, Tote erweckt, Besessene befreit und Zöllner und
Sünder zu einem neuen Leben geführt hatte. Denn als Pilatus
auf Grund des römischen Rechts dem jüdischen Volk erklärte:
"Ich finde keine Schuld an Ihm!" - forderte gesetzlicher
Fanatismus und nationale Leidenschaft Jesu Kreuzigung.
In der Schaffung des Kreuzes gingen einst mithin Kirche und
Staat, Juda und Rom, gesetzliche Frömmigkeit und weltliche
Rechtsvertretung Hand in Hand. In der Verneinung Christi
vereinten sich pharisäischer Pietismus und sadduzäischer
Liberalismus, alttestamentlicher Thoraglaube und heidnischer
Aberglaube, Synedrium und Weltmacht und sprachen: Nicht
dieser! Beide fanden sich zu der dunkelsten Tat menschlicher
Geschichte zusammen: sie stießen den aus, der von Gott
berufen war und Vollmacht hatte, der Heiland der Welt zu
sein. Daher predigen wir den gekreuzigten Christus im Licht
unserer persönlichen Mitschuld an dem Nein, das seine Zeit
für Ihn hatte, und an dem Kreuz, das man Ihm schuf.
Weder an irgend einem Ausspruch Gottes, noch an irgend einer
geschichtlichen Handlung des Menschen ist mithin so offenbar
geworden, was Sünde ist, wie gerade in der Verneinung Jesu
Christi durch das Kreuz von Golgatha. Mag auch heute der
Mensch sich bemühen, die Sünde aus seinem religiösen Weltbild
zu streichen, mag er sie auch in seinem Leben als Schwäche
erklären, sie bleibt in ihrem Wesen und in ihrer Tat
Feindschaft wider Gott.
Nie aber hat Gott diese Haltung des Menschen, die zur
Schaffung des Kreuzes führte, bejaht. Menschen in Christo
wussten sich mithin noch immer durch das Kreuz in ihrem
einstigen Wesen und in ihren Handlungen ohne Gott gerichtet.
Was sie bejahten, war jenes neue Leben, das ihnen durch den
Auferstandenen wurde. Wir predigen daher den Gekreuzigten
als das Gericht über alles Fleisch und seine
Geistesschöpfungen. Wir wissen nun um die Sünde. Wir nehmen
ihre Macht und Feindschaft ganz ernst. Wir reden von ihr
im Lichte Golgathas! Wir wissen um ihre letzte Konsequenz:
das Antichristentum. Sie führt immer zu einer letzten
Feindschaft: Zur Bejahung des Mörders und zur Verneinung
des Christus.