Mk 10,20
C.H.Spurgeon
Er aber sprach: Meister, das alles habe ich befolgt von
Jugend auf. Mark. 10, 20.
Wir werden wohl manche beleidigen, wenn wir ihnen sagen, was
gute Werke sind; denn nach unserer Ansicht sind wahrhaft gute
Werke die seltensten Dinge auf der Welt, und wir möchten wohl
viele Meilen weit gehen, bis wir ein wirklich gutes Werk
antreffen. Es gibt zwar manche gute Werke zwischen Menschen und
Menschen, aber wir gebrauchen das Wort "gut" in einem höheren
Sinn, sofern es sich allein auf Gott bezieht.
Wenn wir die heilige Schrift richtig lesen, so finden wir, daß
kein Werk gut sein kann, außer es sei von Gott geboten. Wie
sehr schneidet die Schrift damit einen großen Teil ab von dem,
was Menschen tun wollen, um ihre Seligkeit dadurch zu erwerben!
Die Pharisäer verzehnteten die Minze, Dill und Kümmel; konnten
sie beweisen, daß Gott dies befohlen habe? Wenn nicht, so war
ihr Fasten kein Gehorsam. Wenn ich etwas tue, wozu ich keinen
Befehl habe, so beweise ich keinen Gehorsam in dem, was ich
tue. Vergeblich ist also alles Vorgeben der Menschen, daß
sie durch Abtötungen ihres Fleisches, durch diese oder jene
Verleugnungen und Werke, die Gnade Gottes erlangen werden.
Ein Mensch mag eine ganze Reihe von Armenhäusern bauen, und
hat doch kein gutes Werk getan, wenn er sie gebaut hat ohne
Rücksicht auf göttlichen Befehl.
Ferner: Nichts ist ein gutes Werk, wenn es nicht aus einem
guten Beweggrund getan wird; kein Beweggrund aber kann gut
sein, der nicht die Ehre Gottes zur Voraussetzung und zum Ziel
hat. Der, welcher gute Werke tut in der Absicht, dadurch selig
zu werden, tut sie nicht aus einem guten Beweggrund, denn
dieser ist bei ihm von der Selbstsucht regiert. Wer gute Werke
tut, um die Achtung seiner Mitmenschen zu gewinnen und sich zum
Besten der bürgerlichen Gesellschaft einsetzt, der hat zwar
einen löblichen Beweggrund, sofern man den Menschen betrachtet,
aber dieser Beweggrund ist doch nur von niedriger Art. Ein Werk
ist nur gut, wenn der Mensch es tut mit Rücksicht auf die Ehre
Gottes; aber niemand kann es tun mit Rücksicht auf die Ehre
Gottes, bis Gott ihn gelehrt hat, was seine Ehre sei, und
bis der Mensch zur Unterwerfung unter den göttlichen Willen
gebracht worden ist, so daß er in allem auf Gott sieht, und
handelt, um Gottes Ehre und Verherrlichung in der Welt zu
fördern. Und wenn auch unsere Werke die edelsten und besten
Beweggründe haben, so gibt es doch kein gutes Werk, das nicht
mit Glauben verrichtet wird; denn "ohne Glauben ist es
unmöglich, Gott zu gefallen."