Mt 26,6
Ch.Spurgeon
"Als nun Jesus zu Bethanien im Hause Simons des Aussätzigen
war, trat ein Weib zu ihm mit einer alabasternen Flasche voll
kostbarer Salbe und goß sie aufsein Haupt." Matthäus 26,6-7
Welch merkwürdige Berichterstatter sind die Evangelisten!
Während sie das auslassen, was Weltleute schreiben würden,
berichten sie gerade das, was weltliche Historiker übergangen
hätten. Oder meint ihr, daß sie die Feder angesetzt haben
würden, um die Geschichte einer Frau niederzuschreiben, die
eine Flasche mit kostbarer Salbe nahm und sie auf das Haupt
Jesu goß? Aber so ist es: Der Herr Jesus schätzt die Dinge
nicht nach ihrem äußeren Schein und Glanz, sondern nach ihrem
inneren Wert.
Ich denke, diese Tat geschah aus einem liebenden Herzen,
und gerade das machte sie so bemerkenswert. Das Herz ist
wichtiger als der Kopf. Es ist in unseren Tagen vielfach
Gewohnheit geworden zu überlegen, ob etwas unsere Pflicht
sei oder nicht. Wohl uns jedoch, wenn wir zuzeiten Impulse
verspüren, die eindrucks- und ausdrucksvoller sind als die
ganze Redekunst der moralischen Verpflichtungen! Aber wie
oft sagt uns unser Herz: "Stehe auf, besuche diesen oder
jenen Kranken!" Wir zögern und fragen: "Ist es meine Pflicht?
Ist dieser Dienst durchaus erforderlich?" Oder dein Herz
hat dir vielleicht einmal gesagt: "Gib von deinem Vermögen
reichlicher für die Sache Jesu!" Wenn wir diesem Herzensdrang
folgten, würden wir das sofort tun. Statt dessen zögern wir,
schütteln bedächtig den Kopf und berechnen, ob es denn
wirklich unsere Pflicht sei. Diese Frau hat es nicht so
gemacht. Es war nicht ihre Pflicht, die Alabasterflasche
über dem Haupt Jesu zu zerbrechen. Sie tat es nicht aus
einem Gefühl des Gehorsams, sondern aus einem höheren Trieb.
Ihr innerer Herzensdrang schwemmte alle Bedenken und Fragen
hinweg. Hätte sie überlegt, berechnet und die Vernunft zu
Rate gezogen, so hätte sie diese Tat nie vollbracht. Aber
das Herz drängte sie zu handeln, was sie tat.