Mt 23,37
D.Rappard
Jerusalem, Jerusalem! Wie oft habe ich deine Kinder
versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre
Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.
Matth. 23,37.
Ich habe gewollt; ihr habt nicht gewollt. In diesen zwei
Worten ist die ganze Geschichte Jerusalems und auch die
Geschichte vieler Menschen zusammengefaßt. Was der Herr
will, ist lauter Güte, Heil und Leben. Gott w i l l, daß allen
Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit
kommen. Jesus w i l l retten, schützen, vor dem Untergang
bewahren. Seine Klage offenbart ein so zartes, liebevolles
Verlangen, ein so mütterliches Sehnen, daß man sie nicht ohne
innere Ergriffenheit vernehmen kann. Was kann es Besseres geben,
als unter den mächtigen Flügeln Jehovahs geborgen zu sein? Welch
warme sichere Festung hat er für seine Kämpfer bereit!
Aber Jerusalem hat n i c h t g e w o l l t. Und Tausende
wollen bis heute nicht. Sie merken nicht die drohende Gefahr,
und darum wollen sie keine Rettung. Sie kennen nicht ihren
verzweifelten Schaden, und darum wollen sie keine Heilung.
Sie sehen nicht das liebende Herz ihres Erlösers, und darum
wollen sie nicht zu ihm fliehen. O J e r u s a l e m,
J e r u s a l e m! Was liegt doch alles in dieser Heilandsklage!
O Seele! Der Heiland will auch dich retten, schützen, näher
zu sich ziehen. Laß es von dir nicht heißen: D u h a s t
n i c h t g e w o l l t!
Weil Du so voll Liebe und Erbarmen bist,
weil ich so arm und hilfsbedürftig bin, weil Du
mich haben willst, o Herr, so komme ich, mich
zu bergen unter dem Schatten Deiner Flügel.
W.MacDonald
»Jerusalem, Jerusalem... wie oft habe ich deine Kinder
versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter
ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.« Matthäus 23,37
Man hat dieses Geschehen als das Verpassen einer
einzigartigen Chance bezeichnet. Das heißt, daß Menschen mit
dem wunderbaren Besuch Gottes beschenkt werden, mit einer
herrlichen Gelegenheit, aber sie ergreifen sie nicht und
lassen sie ungenutzt vorübergehen.
So geschah es mit Jerusalem. Der menschgewordene Sohn Gottes
ging durch die staubigen Straßen. Die ockerfarben getünchten
Häuser der Stadt sahen auf den Schöpfer und Erhalter
der ganzen Welt hinunter. Die Leute hörten Seine
unvergleichlichen Worte und sahen, wie Er Wunder vollbrachte,
die kein anderer Mann je hatte tun können. Aber sie
erkannten Ihn nicht an. Sie wollten Ihn nicht aufnehmen.
Alles hätte für sie viel besser ausgesehen, wenn sie Ihn
aufgenommen hätten. Ihre Lage wäre so gewesen, wie sie in
Psalm 81,14-17 beschrieben wird: »O daß mein Volk auf mich
hörte, Israel in meinen Wegen wandelte! Bald würde ich ihre
Feinde beugen, meine Hand wenden gegen ihre Bedränger. Die
den Herrn hassen, würden ihm Ergebung heucheln, ihre Zeit
würde ewig sein. Mit dem besten Weizen würde ich es speisen,
und mit Honig aus dem Felsen würde ich es sättigen.«
Auch Jesaja beschreibt, wie es hätte sein können: »Ach,
hättest du doch auf meine Gebote geachtet! Dann wäre wie
der Strom dein Friede gewesen und deine Gerechtigkeit wie
die Wogen des Meeres. Dann wäre wie der Sand deine
Nachkommenschaft gewesen und die Sprößlinge deines Leibes wie
seine Körner. Sein Name würde nicht ausgerottet und nicht
ausgetilgt werden vor meinem Angesicht« (Jesaja 48,18.19).
Bret Harte hat einmal geschrieben: »Von allen Worten, die je
gesprochen oder geschrieben wurden, sind die traurigsten:
'Es hätte sein können.'«
Denken wir nur an die Menschen, die den Ruf des Evangeliums
zurückgewiesen haben. Jesus von Nazareth ist an ihnen
vorübergegangen, aber sie haben ihn verpaßt. Nun führen
sie ein sinnentleertes Leben und stehen vor der ewigen
Verdammnis.
Oder denken wir an die Gläubigen, die den Ruf Jesu in einen
bestimmten Dienst wohl gehört, aber nicht darauf reagiert
haben. Sie haben gar keine Ahnung davon, wieviel irdischen
Segen und wieviel ewigen Lohn sie dadurch verpaßt haben.
Es stimmt schon, daß eine Gelegenheit manchmal nur ein
einziges Mal anklopft. Selbst wenn sie vollbeladen ist mit
den ausgesuchtesten Schätzen, scheint sie vielleicht im
ersten Moment nur mit unseren persönlichen Plänen in Konflikt
zu kommen oder persönliche Opfer von uns zu verlangen. Sie
stellt das Beste dar, was Gott für uns ausgesucht hat, aber
aus egoistischen Gründen lassen wir die Gelegenheit ungenutzt
vorübergehen. Wir lehnen Gottes bestes Angebot ab und setzen
auf das zweitbeste. Und die ganze Zeit sagt Er zu uns: »Ich
wollte gern, aber ihr habt nicht gewollt.«