Mt 18,15
W.MacDonald
»... so gehe hin, überführe ihn zwischen dir und ihm
allein.« Matthäus 18,15b
Jemand hat etwas getan oder gesagt, das uns auf irgendeine
Weise verletzt oder gestört hat. Die Bibel gebietet uns,
zu dem Betreffenden zu gehen und ihn auf seinen Fehler
hinzuweisen, aber das möchten wir nicht tun, es fällt uns
zu schwer.
So fangen wir an, darüber zu brüten. Wir denken immer wieder
darüber nach, was er getan hat, wie er so völlig im Unrecht
war. Wenn wir arbeiten sollten, beschäftigt sich unser
Denken stattdessen mit den Details dieses Problems, und
unsere Magensäfte beginnen zu »kochen«. Wenn wir schlafen
sollten, führen wir uns den unerfreulichen Vorfall erneut vor
Augen, und unser Groll erhöht sich noch mehr. Die Bibel sagt
uns, wir sollen hingehen, und ihm seinen Fehler sagen, aber
wir sind zu feige dazu. Wir denken nach, wie wir ihm die
Sache vielleicht anonym klarmachen können. Oder wir hoffen,
daß etwas geschieht, was ihn für sein falsches Verhalten
beschämt. Aber es geschieht nichts. Wir wissen, was wir zu
tun haben, aber wir fürchten die Konfrontation von Angesicht
zu Angesicht. Inzwischen schadet die ganze Sache uns schon
weit mehr als ihm. Die Menschen können an unserem mürrischen
Auftreten ablesen, daß uns irgend etwas ärgert. Wenn sie mit
uns reden, sind wir mit dem Kopf auf der anderen Seite des
Erdballs. Unsere Arbeit leidet, weil wir innerlich abgelenkt
sind. Wir sind ganz einfach zu zerstreut, um irgend etwas
effektiv anpacken zu können. Und immer noch sagt die Bibel:
»Gehe hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein.« Mit
einem gewaltigen Aufwand an Willenskraft haben wir es bis
jetzt vermieden, mit jemand anderem darüber zu sprechen,
aber schließlich wird der Druck unerträglich. Wir brechen
darunter zusammen und erzählen die Geschichte jemand anders -
natürlich nur als gemeinsames Gebetsanliegen. Aber anstatt
uns - wie erwartet - zu bemitleiden, sagt der andere einfach:
»Warum gehst du nicht hin und redest mit ihm, weil er dir
wehgetan hat?«
Das gibt uns den Rest! Wir beschließen, in den sauren Apfel
zu beißen. Wir legen uns die Worte zurecht und gehorchen
dann dem Wort Gottes, indem wir ihm seinen Fehler sagen.
Er nimmt die Sache überraschend gutmütig auf, es tut ihm
leid, daß es passiert ist, und bittet uns um Vergebung.
Das Gespräch endet mit Gebet.
Wenn wir gehen, ist eine große Last von unseren Schultern
genommen. Unser Magen flattert nicht mehr, und unser
Stoffwechsel schaltet auf »normal«. Wir sind nur irgendwie
böse auf uns selbst, weil wir nicht vernünftig genug gewesen
sind, der Schrift sofort und unmittelbar zu gehorchen.