Mt 15,23
C.H.Spurgeon
,,Und Er antwortete ihr kein Wort."
Mt. 15, 23.
Wahrhaft heilsbegierige Seelen, die bis dahin das Heil noch
nicht an sich erfahren haben, mögen aus unsrer heutigen
Erzählung Trost schöpfen. Der Heiland gewährte die Bitte nicht
sogleich, obgleich das kananäische Weib großen Glauben an Ihn
hatte. Er wollte ihr Erhörung schenken, aber Er wartete eine
Weile damit. ,,Er antwortete ihr kein Wort." Waren denn ihre
Gebete nicht gut? Es gibt keine bessern in der Welt. War ihr
Anliegen nicht dringend? Ja, dringend im höchsten Grade. Fühlte
sie ihr Bedürfnis nicht genugsam? O, sie fühlte es in
überwältigendem Maße. War es ihr nicht ernst genug damit?
Äußerst ernst. Hatte sie keinen Glauben? Sie hatte Glauben in
solchem hohen Grade, daß sich der Herr Jesus selber darüber
verwunderte und sprach: ,,O Weib, dein Glaube ist groß." So
siehst du nun, daß, obgleich der Glaube Frieden bringt, er ihn
doch nicht immer augenblicklich bringt. Es mag mancherlei Gründe
geben, welche die Prüfung des Glaubens bedingen, wohl viel mehr
als für die Belohnung des Glaubens. Der echte Glaube kann in
einer Seele liegen wie ein verborgener Same, aber bis jetzt ist
er noch nicht in Knospen und Blüten der Freude und des Friedens
aufgegangen. Ein peinliches Schweigen von seiten des Heilandes
ist eine schwere Prüfung für manche suchende Seele, aber noch
schwerer die Trübsal einer harten, schneidenden Antwort, wie
die: ,,Es ist nicht fein, daß man den Kindern das Brot nehme und
werfe es vor die Hunde." Viele finden im Harren auf den Herrn
selber eine Erquickung, aber nicht allen geht es so. Etliche,
wie der Kerkermeister, werden in einem Augenblick von der
Finsternis zum Licht bekehrt, aber andre sind Pflanzen von
langsamerm Wachstum. Dir kann ein tieferes Schuldbewußtsein
geschenkt werden, statt des Gefühls der Vergebung, und dann
bedarfst du Geduld, um den härteren Schlag ertragen zu können.
Ach, armes Herz, ob dich gleich Christus schlägt und verwundet,
ja, zermalmt, dennoch vertraue auf Ihn; ob Er dir gleich harte
Worte gibt, dennoch glaube an die Liebe seines Herzens. Ich
beschwöre dich, gib das Suchen und Sehnen nach meinem Meister
nicht auf, weil du die gewisse Freude noch nicht empfangen hast,
die du begehrst. Klammere dich an Ihn, und bleibe unentwegt an
Ihm, auch wo du nicht freudige Hoffnung zu hegen vermagst.