Mt 4,9
J.Kroeker
Von unseren Versuchungen.
"Wiederum nimmt Ihn der Teufel mit auf einen hohen Berg und
zeigt Ihm alle Reiche und ihre Herrlichkeit und spricht zu
Ihm: Dies alles will ich Dir geben, wenn Du niederfällst und
mich anbetest." Matth. 4,8-10.
Der dritte Angriff des Versuchers galt dem König und
Herrscher, damit die ganze Sendung und Mission Christi im
Geiste der Welt und in der bestehenden Herrschaft des
Fleisches endige. War die erste Versuchung die scheinbar
wohlwollendste, die zweite die am schlausten begründete, so
hier die dritte die umfassendste. Nicht mehr um Missbrauch
der Sohnes-Vollmachten und um Gottversuchung, um Abfall vom
Geist der Sohnschaft handelt es sich jetzt.
Das Höchste hatte der Versucher angeboten, aber auch das
Höchste verlangt. Wie es zwischen kämpfenden Heeren
gewöhnlich nach einigen Gefechten schließlich zu einer
Hauptschlacht kommt, wo der Sieg des einen oder anderen
Heeres entschieden wird, so war offenbar ihrem innersten
Charakter nach auch die dritte Versuchung eine solche
Entscheidungsschlacht. Als dem Herrn vom Versucher die
Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit gezeigt wurden, da
schaute Er dieselben nicht an, sondern sprach: "Hebe dich
weg, Satan!" Sein Auge war nicht zu haben für das Anschauen
der Welt in dem Licht, wie Satan sie ihm vorstellte.
Jesus hatte wohl ein Auge für die Welt. Er durchschaute sie,
wie kein Zweiter auf Erden. Er sah sie aber im Lichte seines
Vaters. Er durchblickte all den Glanz und Schimmer von
Herrlichkeit, mit der der Moder und die innere Verwesung der
Welt zugedeckt ist. Er sah ihre Leiden, ihre Sünden und
ihren Tod. Es jammerte Ihn derselben, dass Er weinen konnte
wie an der Gruft eines Lazarus oder vor den Toren Jerusalems.
Er wusste, dass die Welt, wie Satan sie Ihm geben wollte, in
ihrem jetzigen Wesen nie bestehen könne. Trotz allem Glanz
und aller Machtentfaltung eilte sie unaufhaltsam ihrem
Zusammenbruch entgegen. Jesus wollte jedoch nicht eine
ewig verlorene Welt als Erbe empfangen, sondern eine
unvergängliche und gerettete.
Wie manche Huldigung würde dem Versucher verweigert werden,
wenn man nicht einen Blick für die Herrlichkeit der Welt in
dem Licht hätte, wie Satan sie darstellt. Er verdeckt alles,
damit die Welt in ihrem eigentlichen Wesen und in ihrem
Sterben nicht gesehen werde. Er hält die Menschheit in dem
Wahn, dass die Welt nicht so tot und morsch in sich selbst
wäre, wie sie durch das ewige Wort dargestellt wird. Sie
wird stark genug sein, durch Reformen und Umwälzungen das
goldene Zeitalter der Zukunft, das Friedensreich ohne
Christus herbeizuführen. Das furchtbare Zeitalter
des Antichristen mit seiner Gesetzlosigkeit, seiner
Ungerechtigkeit und seinem Verderben wird aber die Welt sein,
wie der Widersacher Gottes sie der Menschheit zu geben
vermag.