Matthäus

Mt 4,5 Ch.Spurgeon "Darauf nimmt ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellt ihn auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab." Matthäus 4,5-6

Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf den Ort dieser Versuchung lenken. Es war ein hoher und heiliger Ort; die Gefahr deshalb doppelt groß. Die Versuchung hätte nicht so stark auf den Heiland einwirken können, wenn er in der Wüste gesessen oder im Garten gekniet hätte. Aber in der Höhe, auf der hoch emporragenden Zinne, war der Halt für den Fuß nur schwach. Unter dem Herrn breitete sich ein wundervolles Panorama aus: die Vorhöfe des Tempels, die Straßen der heiligen Stadt und die Städte und Dörfer Judäas. Brüder, es ist sehr schwer, an "hohen Orten" zu stehen. Die unter euch, die keine hohe Stellung in der Gesellschaft innehaben, sollten sehr dankbar für die Sicherheit sein, die gewöhnlich aus der untergeordneten Stellung erwächst. Kein Zweifel, ihr beneidet die, welche bekannter und wohlhabender sind. Aber wenn ihr alles wüßtet, so würdet ihr, anstatt sie zu beneiden, Gott für das Los danken, das euch zugemessen ist.

Ich würde es nicht wagen, meine Versuchungen mit denen eines anderen zu vertauschen. Dennoch weiß ich, daß ich auch meinen eigenen Versuchungen nicht gewachsen wäre, wenn ich nicht Gottes Verheißung hätte: "Meine Gnade genügt dir."

Es ist schwer, einen vollen Becher zu tragen, ohne etwas von dem Inhalt zu verschütten. Wenn er halbvoll ist, magst du ihn sorgloser tragen, ohne daß etwas überfließt. Wenn aber der goldene Kelch voll bis an den Rand ist, so hüte dich, du Mundschenk des Königs! Du magst die Ebene entlanggehen, du magst hüpfen wie die Kinder bei ihrem Spiel, aber dort auf dem schmalen, messerscharfen Grat in der Höhe, wo furchtbare Abgründe zu beiden Seiten gähnen, da hüte dich, denn ein Fehltritt wird verhängnisvoll sein. Blicke hinab durch den dichten Nebel, der die Tiefen verbirgt, und sei voll inniger Dankbarkeit für die unsichtbare und allmächtige Hand, die dich bisher aufrecht gehalten hat.





J.Kroeker Von unseren Versuchungen.

"Da nimmt Ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellt Ihn auf die Zinnen des Tempels." Matth. 4,5 f.

War Jesus stark gewesen in der Wüste, so führte der Versucher Ihn nun in die "heilige Stadt". Vorher war der Versuchungsplatz eine Einöde, die Einsamkeit, die Stille. Hier war es dagegen die Stadt, der Sammelplatz der Menschheit, der Mittelpunkt des menschlichen Verkehrs. Ähnliche Verlegung der Versuchungen von der Wüste unters Volk und aus der Mitte des Volkes in die Wüste erfährt auch der Jünger in seiner Jesusnachfolge. Mancher hat sich stark erwiesen in der Stille und Einsamkeit, wo er von niemandem gesehen, gekannt und angeleitet wurde. Der Versucher führte ihn danach plötzlich in den Mittelpunkt des menschlichen Lebens, damit ihm hier das Leben zur Versuchung werde.

Christi Erfahrungen zeigen uns somit, dass wir uns nirgends fleischlicher Sicherheit hingeben dürfen. Denn die zweite Versuchung wurde nicht nur in die "heilige Stadt" verlegt, sie fand sogar an "geweihter Stätte" statt. Der Evangelist berichtet uns, dass Jesus auf die Zinne des "Tempels" gestellt wurde. Das war heiliger Boden. Der Tempel von Jerusalem war bis zu seiner Verwerfung viele Jahrhunderte hindurch die einzige Wohnstätte Gottes unter den Völkern gewesen. Gott hatte diesen Ort geheiligt durch seine Gegenwart. Zwar war das Heiligtum zu Jerusalem durch die Untreue und den Ungehorsam der Juden vielfach verunreinigt und entweiht worden. Es war aber doch die Stätte, von der Jesus bezeugte: "Wisset ihr nicht, dass Ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?" Später bei der Tempelreinigung nennt der Herr das Heiligtum zu Jerusalem einfach das "Haus meines Vaters".

Man sollte annehmen, dass Satan diese geweihte Stätte nicht hätte betreten dürfen. Er durfte sie sogar zu einem Schauplatz der Versuchung für den Sohn Gottes machen. Was Wunder, wenn auch wir in geweihter Stunde und auf heiligem Boden die Macht der Versuchung kennen lernen!

Kein äußeres Heiligtum schützt mithin vor dem Zutritt einer Versuchung. In der Kirche, beim Gebet, am Tisch des Herrn, in der Missionsarbeit sind wir nicht sicher vor den Angriffen unseres Feindes. Wir sind im Hause des Herrn, um gestärkt und gesegnet zu werden durch die Nähe Gottes und durch die Kraft seines Wortes. Satan jedoch sucht uns gerade hier den Segen zu nehmen, den wir von Gott erwarten. Durch verschiedene Nebendinge verhindert er unsere innerliche Sammlung. Er weckt in uns alte Erinnerungen, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die letzten Tagesereignisse, oder quält uns mit allerlei Sorgen des täglichen Lebens. Auch an heiliger Stätte liegt unsere Bewährung und Bewahrung allein in der richtigen Glaubensstellung zu dem, der uns allein zu bewahren vermag aufs völligste.